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Stolpersteinverlegung am Mittwoch

Gegen das Vergessen: Unter diesem Titel beschäftigt sich seit Schuljahresbeginn ein Seminarkurs des Kollegs unter der Leitung von Alena Bauer und Johannes Heitmann mit der Geschichte der vom NS-Regime verfolgten Menschen, die in St. Blasien gelebt haben. Mit ihren Recherchen erinnern sie an die ehemaligen Bürgerinnen und Bürger der Stadt St. Blasien, die ihre Heimat, ihren Lebensmittelpunkt und ihre Arbeitsstätte durch die Herrschaft des NS-Regimes verloren haben. Sichtbar wird die Erinnerung in Form von neun Stolpersteinen, die in dieser Woche (Mittwoch, 24. Mai) für Gustav, Hulda (geb. Dreifuss), Alfred und Gertrude Grumbach, Hugo Lazarus, Lilli (geb. Günzburger) und Ellen Frances Grumbach, Alexander Mendelsohn und Pater Alois Grimm SJ verlegt werden.
Die Verlegung der Stolpersteine durch Künstler Gunter Demnig ist öffentlich, interessierte Bürgerinnen und Bürger können der Verlegung beiwohnen. Die Schülerinnen und Schüler werden dabei Einblicke in das Leben der Menschen geben, für die die Stolpersteine verlegt werden. Treffpunkt ist am Mittwoch, 24. Mai, um 11:20 Uhr vor der Altbaupforte des Kollegs, von wo aus es zu den weiteren Stationen in der Bernau-Menzenschwander-Straße 16, in der Hauptstraße 3 und 11 und schließlich wieder ans Kolleg geht, wo der Stolperstein für Pater Alois Grimm SJ verlegt wird.
„Die allgemeine Judenverfolgung im Dritten Reich nahm mir die wirtschaftliche Existenz und machte das Leben in Deutschland unerträglich. Ich wanderte deshalb aus. Um die Auswanderung vorzubereiten, ging ich von meinem Wohnort St. Blasien erst nach Hamburg, musste mangels Zuzugsgenehmigung von dort weg, kam vorläufig in Lübeck unter und wanderte von dort aus.“ So skizzierte der jüdische Fotograf Alexander Mendelsohn am 27. Januar 1954 seine Flucht aus St. Blasien, die ihr Ende in Uruguay fand. Es ist einer der prägenden Sätze, der den neun Schülerinnen und Schülern des Seminarkurses auf ihren Recherchen begegnet ist. „Wir sind den Menschen so nahegekommen, wie ich mir das vorher nie hätte vorstellen können“, berichtet Joana, Schülerin des Seminarkurses. „Und dass wir die Angehörigen der Menschen, über die wir so viele Informationen gesammelt haben, nächste Woche wirklich treffen, ist aufregend und ich freue mich sehr auf diese Begegnungen“, fügt ihre Mitschülerin Viktoria hinzu. „In den zwölf Jahren, seit ich zur Schule gehe, habe ich Geschichtsunterricht noch nie so lebendig und intensiv erlebt“, findet Fiona.
Neben den geschichtlichen Erkenntnissen haben die Schülerinnen und Schüler auch Einblicke in die Kommunalpolitik gewonnen: „Es ist außergewöhnlich, dass junge Menschen einen Antrag in den Gemeinderat einbringen“, sagt Lehrerin Alena Bauer. Denn für die Verlegung der Stolpersteine ist die Zustimmung der Stadt und des Gemeinderats erforderlich gewesen. Daher war der Kurs mehrfach im Gemeinderat zu Gast, um über das Projekt und die Projektfortschritte zu informieren. Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung vom 8. November 2022 die Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum einstimmig befürwortet.
„Der Seminarkurs des Kollegs leistet mit seinen Recherchen einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur in unserer Stadt – durch die Stolpersteine, die geplante Ausstellung im Museum und das digitale Gedenkbuch auf der städtischen Homepage werden die Menschen, die ihre Heimat St. Blasien verlassen mussten, sichtbar“, sagt Bürgermeister Adrian Probst. „Stolpersteine sind ein wichtiges Symbol der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Sie erinnern uns daran, dass wir die Verantwortung tragen, uns mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und aus ihr zu lernen“, so Probst. „Daher haben wir die Initiative des Kollegs von Anfang an unterstützt.“
„Toll ist auch, dass viele Menschen aus der Stadtgesellschaft die Patenschaften für die Stolpersteine übernommen haben“, sagt Lehrer Johannes Heitmann. „Damit ist das Projekt nicht nur im Klassenzimmer geblieben, sondern strahlt in die ganze Stadt aus“, fügt Adrian Probst hinzu.
In dieser Woche reisen nun Angehörige der Verfolgten aus den USA, aus Kanada und Großbritannien zur Stolpersteinverlegung an. Auch Heidi Ramsay, Leiterin der Presse- und Kulturabteilung des US-Generalkonsulats in Frankfurt, hat sich angekündigt:  „Das US-Generalkonsulat in Frankfurt fühlt sich geehrt, gemeinsam mit der Stadt St. Blasien und dem Kolleg St. Blasien Stolpersteine zum Gedenken an die Familie Grumbach und weitere Verfolgte zu verlegen. Es ist wichtig, ihr Leben so zu würdigen, wie sie gelebt haben, sowie ihre Vielfältigkeit zu feiern, auch wenn wir die verlorenen Traditionen, Geschichten und Familien betrauern. Mit der Verlegung dieser Steine zeigen wir unsere Entschlossenheit, gegen alle Formen von Antisemitismus, Hass und Bigotterie einzutreten und darauf zu bestehen, dass der Holocaust jetzt und in Zukunft in Erinnerung bleibt.“